Ein Kommentar von Rudolf Meyer, Inhaber der Waldgaststätte Eckernworth in Walsrode und Vorsitzender des IHK-Tourismusausschusses: 

Grün - gelb - insolvent

 

Ab 2012 sollen sogenannte Hygiene-Ampeln an Restaurants und Kneipen sehr plakativ vermitteln, wie es um die Einhaltung von Hygienestandards in dem Haus bestellt ist.Oder besser: Wie der Betrieb bei der letzten Kontrolle abgeschnitten hat. Darauf haben sich die Verbraucherschutzminister der Länder Mitte Mai verständigt.

Hygiene, darüber gibt es keine zwei Meinungen, ist das A und O jedes Gastronomiebetriebs. Und gegen Transparenz kann niemand etwas haben, ohne sich dem Vorwurfauszusetzen, er habe etwas zu verbergen. Ist aber das Ziel, den Verbraucherschutz zu verbessern, ein ausreichender Grund, rechtsstaatliche Grundsätze über Bord zu werfen? Und vor allem: Lässt sich dieses Ziel mit den geplanten Mitteln erreichen?

Zum Vergleich: Wenn Sie mit Ihrem Auto zu schnell fahren, müssen Sie damit rechnen, mit einem Bußgeld belegt zu werden. Bei viel zu hoher Geschwindigkeit droht ein Fahrverbot. Und wenn Sie durch Raserei Ihre Mitmenschen gefährden, verlieren Sie Ihren Führerschein. Einfach, gerecht und zielführend.

Ähnlich verhält es sich bereits heute in der Lebensmittelüberwachung. Stellen die Inspekteure des Gewerbeaufsichtsamts in einem Restaurant Mängel fest, steht ihnen eine breite Palette an Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung: von der Auflage zur Nachbesserung über ein Bußgeld bis hin zur Schließung des Betriebs. All dies ist möglich, um die Verbraucher vor etwaigen Gefahren für Leib und Leben zu schützen.

Während aber Polizei und Kommunen nicht ganz uneigennützig in eine konsequente Verkehrsüberwachung investiert haben, wurde die Überwachungsdichte im Lebensmittelbereich in der Vergangenheit nicht aufgabengerecht ausgestattet. Die Folgen lassen sich mit einem einfachen Begriff beschreiben: Vollzugsdefizit. Daran wird auch die Hygiene-Ampel nachderzeitigem Planungsstand nichts ändern.

Überträgt man die Hygiene-Ampel aber sinngemäß auf den Straßenverkehr, werden die damit verbundenen rechtsstaatlichen Probleme deutlich: Der Verkehrssünder würde dazuverpflichtet, einen Auszug seines Flensburger Punktekontos in die Heckscheibe zu hängen. Sein Punktestand würde außerdem im Internet veröffentlicht. Beim Foto aus dem Starenkasten gäbe es keinen Anhörungsbogen, um Einwände geltend zu machen oder ein Widerspruchsrecht, um sich in einem ordentlichen Verfahren zu verteidigen, bevor die Strafe vollzogen wird.

Denn bei der Hygiene-Ampel wird der Inspekteur zum Polizisten, Staatsanwalt, Richter und Vollstrecker in einer Person. Wo er meint, eine grobe Verfehlung festzustellen – und dies kann immer nur eine Momentaufnahme sein –, stellt er die Ampel auf rot. Man darf davon ausgehen, dass eine rote Hygiene-Ampel auf Gäste mindestens so abschreckend wirken wird wie eine rote Verkehrsampel auf Autofahrer.

Anders als in Dänemark, das gern als Vorreiter in Sachen Hygienekennzeichnung herangezogen wird, erhalten deutsche Gastronomen keinen Anspruch auf eine Nachprüfung innerhalb von zwei Wochen. Schaltet die Ampel in Deutschland auf rot, besteht wenig Hoffnung, dass der Gastronom innerhalb von sechs Monaten eine zweite Chance erhält. Damit entscheidet der Inspekteur über nicht mehr und nicht weniger als den Fortbestand des Unternehmens.

Dabei wäre den Verbrauchern in Deutschland weit mehr gedient, wenn wir den Gewerbeaufsichtsämtern neben dem bereits verfügbaren rechtlichen Instrumentarium auch die personellen Mittel zur Verfügung stellten, Sanktionen wirksam einzusetzen. In diesem Bereich hat Dänemark in der Tat eine Vorbildfunktion: Die 350 staatlichen Kontrolleure konnten 2008 in 53.000 Betrieben rund 70.000 Kontrollen durchführen. Allein in der Bundeshauptstadt Berlin stehen den 54.000 zu überwachenden Betrieben gerade mal 60 Kontrolleure mehr oder weniger hilflos gegenüber.

Wir haben kein Regelungsdefizit, wohl aber ein Vollzugsdefizit. Eine konsequente und vor allem regelmäßige Überwachung wäre weit besser geeignet, schwarze Schafe aus dem Verkehr zu ziehen als die stichprobenartige Anbringung bunter Bilder.